Inhaltsverzeichnis

  • Historischer Hintergrund
  • Die frühmittelalterliche Dichtung
    • Germanische Literaturerzeugnisse
    • Althochdeutsche Literatur (760-1060)
    • Frühmittelhochdeutsche Literatur (1060-1120)
    • Vorhöfische Literatur (1120-1180)
      • Profane Werke geistlicher Autoren
      • Profane Werke profaner Autoren / vorhöfische Epen / Spielmannsepen
      • Mystik / Frauenmystik
  • Literarische Formen
  • Vertreter
  • Werke

Historischer Hintergrund

Die einsetzende Völkerwanderung und der Zerfall des Römischen Reiches markierte den Beginn des Mittelalters und damit gleichzeitig das Ende der Antike. Die Herrschaftsgewalt zersplitterte sich zunächst in grundherrschaftliche, später in lehensrechtliche Beziehungen bis hin zur Entstehung des Königreiches. Die Macht wurde dabei nicht nur von den Adligen, meistens Lehnsherren, ausgeübt, sondern auch von der Kirche, die eine eigene Machtposition vertrat. Durch Salbung des Königs war dieser auch kirchlich legitimiert. Im Frühmittelalter war die Kirche der Kulturträger der Gesellschaft, denn meist nur der Klerus wusste über das Lesen und Schreiben bescheid. Die Gesellschaft war geteilt in die Stände Adel, Klerus und Bauern. Sie richtete sich auf agrarwirtschaftliche und naturalwirtschaftliche Produktion aus.

Das Frühmittelalter wurde von drei bedeutenden Adelsgeschlechtern geprägt: den Karolingern, den Ottonen und den Saliern. Das fränkische Hochadelsgeschlecht beherrschte von 750-900 Westeuropa. Sein bedeutendster Vertreter war Karl der Große (768-814), der im Jahre 800 zum ersten Kaiser vom Papst gekrönt wurde. Nach dessen Tode zerfiel das Karolingerreich; die östlichen Gebiete, dem späteren Heiligen Römischen Reich, wurden von den Ottonen (900-1024) übernommen. Heinrich I. wurde Nachfolger Konrads I. und deutsch-römischer Kaiser. Dessen Sohn, Otto I., folgte ihm auf den Thron und wurde vom Papst zum ersten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Mit der Regierungszeit Heinrich II. wurde die kluniazensische Reform in den Klöstern eingeleitet, die vom frz. Kloster Cluny ausging. Erneuerung und Vertiefung des religiösen Lebens sowie Abkehr vom weltlichen Leben bis hin zur Weltverneinung standen dabei im Mittelpunkt. Das Ottonengeschlecht erlosch, als des nach dem Tode Heinrich II. keine männlichen Nachfolger mehr gab. Die Königswürde wurde auf Konrad II., einem Salier, übertragen. Das fränkische Adelsgeschlecht der Salier regierte von 1024-1125. Nach dem Tod des kinderlosen letzten salischen Königs, gingen deren Besitztümer an die Staufer über.

Die Epoche des Frühmittelalters reichte vom 6. bis ins 12. Jahrhundert, genauer gesagt begann das Frühmittelalter um das Jahr 500 und endete 1180 n. Chr. Darauf folgte dann die Zeit des Hochmittelalter.

Die frühmittelalterliche Dichtung

Germanische Literaturerzeugnisse

Die Germanen brachten bei ihrer Völkerwanderung eine eigene Literatur mit. Es entstanden in verschiedenen Gegenden unterschiedliche Sagenkreise: im ostgotischen Gebiet die Hildebrandsage, im burgundischen Gebiet die Nibelungensage und im nordgermanischen Gebiet die Sage von Beowulf. Die Literatur der Völkerwanderungszeit wurde jedoch nur mündlich weitergegeben und ging größtenteils verloren. Überlieferungen aus der Germanischen Literatur sind das Hildebrandslied und die Merseburger Zaubersprüche. Die Merseburger Zaubersprüche wurden erst im 10. Jahrhundert aufgezeichnet, entstanden wahrscheinlich aber noch vor 750. Der erste Spruch dient der Befreiung eines Gefangenen, der zweite Spruch zur Heilung eines verrenkten Pferdefußes. Das Hildebrandslied ist das einzige germanische Heldenlied in althochdeutscher Sprache. Das Hildebrandslied wurde um 830 von zwei Mönchen des Fuldaer Klosters auf die inneren Deckblätter eines Gebetsbuches geschrieben. Entstanden ist es um 770/780. Die 68 erhaltenen stabenden Langzeilen berichten vom Vater-Sohn-Kampf zwischen Hildebrand und Hadubrand, die Handlung bricht aber mitten im Kampf ab. Aus altnordischen Dichtungen geht hervor, dass Hildebrand seinen Sohn erschlägt. Andere germanische Götter- und Heldensagen blieben der Nachwelt durch die Aufzeichnungen des isländischen Schriftstellers Snorri Sturluson um 1250 erhalten.

Merseburger Zaubersprüche: Zweiter Spruch
Phol ende uuodon uuorun zi holza.
du uuart demo balderes uolon sin uuoz birenkit.
thu biguol en sinthgunt, sunna era suister,
thu biguol en friia, uolla era suister,
thu biguol en uuodan, so he uuola conda:
sose benrenki, sose bluotrenki,
sose lidirenki:
ben zi bena, bluot zi bluoda,
lid zi geliden, sose gelimida sin.

Übersetzung:
Phol und Wodan ritten zu Walde.
Da ward dem Fohlen Balders sein Fuss verrenkt.
Da besprachen ihn Sinthgund und Sunna, ihre Schwester,
da besprachen ihn Frija und Volla, ihre Schwester,
da besprach ihn Wodan, wie er’s wohl verstand:
So Beinverrenkung, so Blutverrenkung,
so Gliedverrenkung: Bein zu Beine, Blut zu Blute,
Glied zu Glieden, als wenn sie geleimet wären.

Althochdeutsche Literatur (760-1060)

Unter Karl dem Großen (768-814) wurden die Germanen christianisiert, und die Geistlichen betrachteten es als ihre Aufgabe, den „Bekehrten“ die christliche Literatur nahezubringen. Die Lese- und Schreibkunst blieb lediglich den Mönchen vorbehalten. Die althochdeutsche Literatur vereint zwei Traditionsstränge: germanisch-heidnische Elemente und christlich-antike Elemente. Um 760/765 verfasste der Bischof Arbeo von Freising ein lateinisch-deutsches Wörterbuch, das nach seinem ersten Eintrag benannt wurde: Abrogans. Dieses Werk ist das erste erhaltene Zeugnis der deutschen Sprache.
Heidnische Zaubersprüche wurden von den Christen als Segenssprüche übernommen. Die heidnischen Götter wurden dabei ausgelassen und für sie wurde Gott eingesetzt. Eine oberflächliche Christianisierung zeigt sich z.B. im Wiener Hundesegen. Weitere Segenssprüche sind z.B. Bienensegen, Pferdesegen, Segen gegen Fallsucht. Diese Sprüche wurden meist aus dem Gedächtnis niedergeschrieben. Sie wurden oft in lateinischen Handschriften eingetragen, wo zufällig Platz war.
881 entstand das Ludwigslied, ein Fürstenpreis auf den 882 verstorbenen Ludwig III. von Westfranken, der 881 bei Soucourt (Normandie) einen Sieg über die Wikinger errang.
Aus der althochdeutschen Zeit sind über die Entstehung und den Untergang der Welt jeweils ein Text überliefert. Ca. 770 entstand das Wessobrunner Gedicht und Gebet. Das in Stabreimen gefasste Gedicht berichtet von der Entstehung der Welt. Das sich anschließende, in Prosa gefasste Gebet ist eine Bitte um den rechten Glauben. In der Mitte des 9. Jahrhunderts entstand das in Stabreimen geschriebene Muspilli. Die Herkunft dieses Wortes ist noch nicht genau bewiesen, es handelt sich aber um ein heidnisches Wort für Vernichtung, Zerstörung und Untergang, das auch in anderen Sprachen überliefert ist. Das Muspilli gliedert sich in drei Abschnitte: den Kampf zwischen Himmel und Hölle um die Seele, der Gegenüberstellung zwischen jüngstem Gericht und Weltgericht, und dem Endgericht. Außerdem wird der Kampf zwischen dem Propheten Elias und dem Antichrist gezeigt, wobei Elias unterliegt und die Welt in Flammen aufgeht.
Das erste erhaltene geistliche Lied ist das um 880 entstandene Petruslied. Das wichtigste Genre der geistlichen Dichtung im Frühmittelalter war die Evangelienharmonie. Um 830 ist in einer Fuldaer Handschrift die althochdeutsche Übersetzung der Evangelienharmonie Tatians, eines Sysrers aus dem 2. Jh., erhalten. Zur gleichen Zeit entstand der Heliand, der Evangelien in Form eines germanischen Heldenepos enthielt. Für die deutsche Literaturgeschichte ist die um 865 entstandene Evangelienharmonie von Otfrid von Weißenburg von großer Bedeutung. Otfrid führte als erster Dichter den Endreim in die deutschsprachige Literatur ein. Seine Evangelienharmonie, die das Leben Jesu von der Geburt bis zur Auffahrt in den Himmel schildert, ist in vier Handschriften überliefert.
Als Übersetzer lateinischer Texte war der Vorsteher der Klosterschule von St. Gallen, Notker III (= Notker der Deutsche = Notker Labeo), tätig, um die Arbeit mit lateinischen Texten für seine Schüler zu erleichtern.

Frühmittelhochdeutsche Literatur (1060-1120)

Die Paraphrase des Hohen Liedes (um 1060) von Williram von Ebersberg markiert den Beginn der mittelhochdeutschen Dichtung. Darin deutete Williram das Verhältnis Braut – Bräutigam auf das Verhältnis Kirche – Gott um.
Eines der frühesten heilsgeschichtlichen Dichtungen ist das 1065 entstandene Ezzolied, das vom Bamberger Domherr Ezzo verfasst wurde. Es schildert den Verlauf der Welt aus christlicher Sicht, von der Erschaffung des Menschen bis hin zum Tode Jesu.
Um 1070 entstand das Memento mori von Notker von Zwiefalten, ein Aufruf zu Weltabkehr im Sinne der kluniazensischen Reform.
Das über den Kölner Erzbisch Anno verfasste Annolied (ca. 1080) ist das erste biographische Werk der deutschen Sprache. Im Annolied wird Anno als Heiliger dargestellt, der gegen die zerstörerischen Folgen weltlicher Taten im Sinne der weltverneinenden Haltung der kluniazensischen Reform wirkt. Das Werk beginnt aber mit einer Abhandlung der Menschheitsgeschichte bis hin zum Römischen Reich. Außerdem enthält es einen Hinweis auf die Krimgoten.

Vorhöfische Literatur (1120-1180)

Profane Werke geistlicher Autoren

Zwischen 1120 und 1140 entstand das Alexanderlied des Pfaffen Lamprecht. Es ist das erste Werk in der deutschen Literaturgeschichte, das nicht auf eine lateinische Quelle, sondern eine volksprachliche (altfranzösische) Quelle zurückgeht: ein Gedicht von Alberich von Besancon. Zudem ist es das erste weltliche Epos in deutscher Sprache. Das Alexanderlied berichtet über das Leben Alexanders des Großen.
Die Kaiserchronik (ca. 1135/55) behandelt die Geschichte vom Römischen Kaiserreich bis zur Gegenwart. Sie hat eine Länge von etwa 17000 Versen und enthält die Lebensläufe der römischen Kaiser und Päpste. Einzelne Geschichten dienen dabei als Belege für das Wirken Gottes in der Welt. Sie wurde verfasst von mind. einem, höchstwahrscheinlich aber auch von mehreren Geistlichen in Regensburg.
Um 1170 schrieb der Pfaffe Konrad auf Veranlassung Heinrichs des Löwen das etwa 9100 Verse umfassende Rolandslied in Regensburg. Die Quelle ist das altfranzösische Heldenepos Chanson de Roland.
Zwischen Mitte und Ende des 12. Jahrhunderts entstand Von destôdes gehugde Heinrichs von Melk, ein Memento mori gegen das Rittertum und das in der Superbia (Hochmut) den Ursprung aller Sünde sieht.
Ein Geistlicher mit dem Titel „Archipoeta“ verfasste um 1160 mehrere Vagantengedichte, in lateinischer Sprache. Er zählt zu den wichtigsten Vertretern der Klerikerdichtung, die sich der Diesseitsstimmung hingaben.

Profane Werke profaner Autoren / vorhöfische Epen / Spielmannsepen

Zu den profanen Werken profaner Autoren zählen die anonym verfassten, sogenannten Spielmannsepen König Rother (ca. 1150), Salman und Morolf (ca. 1160), Sanct Oswald (ca. 1170), Herzog Ernst (ca. 1180) und Orendel (ca. 1180). Diese waren bisher nur mündlich überliefert und wurden nun von den Autoren am Schreibpult buchmäßig gestaltet. Diesen Werken kam eine Unterhaltungsfunktion zu, ein heilsgeschichtlicher Rahmen war nicht mehr vorhanden. Es gab auch keinen Kampf zwischen Gut und Böse mehr, sondern die Bewährung eines tapferen Helden stand im Mittelpunkt. Man spricht hier von Spielmannsepik im engeren Sinn, da sich die Werke in ihrer Struktur stark ähneln: Brautwerbung, Brautraub und ein Rahmen, der Bezug auf einen Kreuzzug oder den Orient nimmt.

Mystik / Frauenmystik

Der Begriff Mystik leitet sich von griech. mystikos ab und meint in der ursprünglichen Bedeutung die Suche nach verborgenen Hinweisen auf Jesu im Bibelwort. Im Mittelalter war mit Mystik die Erkenntnis-Erfahrung von Gott gemeint. Das Ziel war die unio mystica, das Einswerden mit Gott. Frauenmystik trat fast ausschließlich im Christentum auf, da Frauen und Jesus ein spirituelles Verhältnis in der Bibel haben. Bei reformierten Kirchen galt die Mystik als verpönt. Eine der bekanntesten Vertreterinnen der Mystik war Hildegard von Bingen (1098-1179) mit ihrem Werk Liber Scivias (Wisse die Wege, 1141/53), welches den Beginn der deutschsprachigen Mystik markiert.

Literarische Formen

  • Zaubersprüche
  • Segen
  • Rätsel
  • Gelöbnisse
  • Heldensagen
  • Fürstenpreis / Fürstenlob
  • Gebete
  • Evangelienharmonien
    = Verschmelzung der vier Evangelien zu einer fortlaufenden Handlung, in der das Leben Jesu geschildert wird.
  • Memento mori
  • Spielmannsepen

Vertreter/Autoren

  • Arbeo von Freising
  • Archipoeta
  • Ezzo von Bamberg
  • Heinrich von Melk
  • Hildegard von Bingen (1098-1179)
  • Notker III./ der Deutsche/ Labeo von St. Gallen (ca. 950-1022)
  • Notker von Zwiefalten
  • Otfrid von Weißenburg (ca. 800 – ca. 870)
  • Pfaffe Konrad
  • Pfaffe Lamprecht
  • Williram von Ebersberg

Werke

  • Merseburger Zaubersprüche (8. Jh.) – anonym
  • Hildebrandslied (ca. 830) – anonym
  • Abrogans (760/765) – Arbeo von Freising
  • Wiener Hundesegen – anonym
  • Ludwigslied (881) – anonym
  • Wessobrunner Gedicht und Gebet (ca. 770) – anonym
  • Muspilli (9. Jh.) – anonym
  • Petruslied (ca. 880) – anonym
  • Übersetzung der Evangelienharmonie Tatians (ca. 830) – anonym
  • Heliand (ca. 830) – anonym
  • Evangelienharmonie (ca. 865) – Ofrid von Weißenburg
  • Paraphrase des Hohen Liedes (ca. 1060) – Williram von Ebersberg
  • Ezzolied (ca. 1065) – Ezzo
  • Memento mori (ca. 1070) – Notker von Zwiefalten
  • Annolied (ca. 1080) – anonym
  • Alexanderlied (ca. 1120/40) – Pfaffe Lamprecht
  • Kaiserchronik (ca.1135/55) – anonym
  • Rolandslied (ca. 1170) – Pfaffe Konrad
  • Von des tôdes gehugde (Mitte-Ende 12. Jh.) – Heinrich von Melk
  • König Rother (ca. 1150) – anonym
  • Salman und Morolf (ca. 1160) – anonym
  • Sanct Oswald (ca. 1170) – anonym
  • Herzog Ernst (ca. 1180) – anonym
  • Orendel (ca. 1180) – anonym
  • Liber Scivias (1141/53) – Hildegard von Bingen

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