Inhalt

  • Begriff
  • Historischer Hintergrund
  • Philosophischer Hintergrund
  • Literatur der Klassik
    • Klassikverständnis
    • Goethe und Schiller als Dichtungstheoretiker
      • Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil (1789, Goethe)
      • Einführung in die Propyläen (Goethe)
      • Briefe über die ästethische Erziehung des Menschen (1795, Schiller)
      • Über naive und sentimentale Dichtung (1895/96, Schiller)
      • Über Bürgers Gedichte (1791, Schiller)
    • Beförderung der Humanität am Beispiel Goethes Hermann und Dorothea (1797)
    • Die klassische Ballade
    • Das Drama in der Klassik
      • Goethes Faust
    • Literarische Formen
    • Vertreter
    • Werke
    • Zusammenfassung

Begriff

Das Wort klassisch stammt vom lateinischen classicus mit dem man Angehörige der höchsten Steuerklasse bezeichnete. In der Bedeutung erstrangig wurde dieses Wort bald auf andere Bereiche übertragen. Heute meint man mit klassisch etwas zeitlos gültiges, überragendes und vorbildhaftes. Im schöpferischen Sinne bedeutet es die Orientierung an antiken Stil- und Formmustern.

Mit Klassik verbindet man allgemein die Epoche des kulturellen Höhepunktes eines Landes. In Deutschland spricht man speziell von der Weimarer Klassik, da in Weimar der Höhepunkt im Schaffensprozess Goethes und Schillers lag. Das Jahr 1786 sieht man mit Goethes Italienreise als den Beginn der Epoche an, das Jahr 1832 mit dem Tod Goethes als das Ende.

Historischer Hintergrund

Im Jahre 1789 fand die große Französische Revolution statt. Es kam zum Zusammentreten der Generalstände. Der Dritte Stand wählte eine Nationalversammlung. Am 14. Juli 1789 wurde die Bastille gestürmt. Etwa einen Monat später wurden die Menschen- und Bürgerrechte erklärt. 1791 unternahm Ludwig XVI. einen Fluchtversuch. 1792 wurde die königliche Familie festgesetzt. Die Herrschaft der Jakobiner brach an und gleichzeitig auch die Zeit des Terrors. Die Hinrichtung Ludwigs XVI. durch die Guillotine löste Empörung und Bestürzung zugleich in fast allen anderen europäischen Nationen aus. Die Monarchie in Frankreich wurde durch die Schreckensherrschaft Robespierres abgelöst. Terrorgesetze, Todesurteile und zahllose Todesvollstreckungen prägten die Jahre 1793 und 1794, bis 1794 Robespierre gestürzt wurde. Zwischen 1795 und 1799 war in Frankreich eine Direktorialregierung eingesetzt.

Durch einen Staatsstreich gelangte Napoleon Bonaparte 1799 in Frankreich an die Macht. Er wurde erster Konsul, 1804 französischer Kaiser. Das bürgerliche Gesetzbuch, der Code civil, wurde zum Vorbild für die juristische Entwicklung in allen europäischen Nationen. In der Schlacht von Austerlitz 1805 besiegte Napoleon die österreichischen und russischen Truppen. 1806 begann die Errichtung einer Kontinentalsperre zur Ausgrenzung Englands. Im gleichen Jahr fand die Gründung des Rheinbundes statt. Die Schutzherrschaft Napoleons über die rheinischen Staaten begann und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation löste sich auf. In den Schlachten bei Jena und Auerstedt wurden die preußischen Truppen 1806 vernichtend geschlagen.

Zwischen 1807 und 1814 wurden in Preußen wichtige Reformen vollzogen, die einen großen Einfluss auf die Gesellschaft hatten: Bauernbefreiung, Selbstverwaltung der Städte, Gewerbefreiheit, Judenemanzipation, Bildungsreform und Heeresreform.

1812 zog Napoleon gegen Russland in den Krieg. Da der erhoffte Sieg ausblieb, trat er den Rückzug an. 1813 setzten die Befreiungskriege gegen Frankreich ein. Mit der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 wurde den französischen Truppen ein vernichtender Schlag zuversetzt. In der Schlacht bei Waterloo 1815 wurde Napoleon endgültig besiegt.
1815 regelte der Wiener Kongress die Neuordnung Europas. Die Heilige Allianz zwischen Russland, Österreich und Preußen, und der Deutsche Bund wurden gegründet. Damit war das europäische Gleichgewicht wieder hergestellt und eine langfristige Sicherung des Friedens gewahrt. Die Prinzipien der Neuordnung Europas, wie Restauration, Legitimität und Solidarität, bestimmten die Politik der nächsten Jahrzehnte in Deutschland.

Philosophischer Hintergrund

Wichtig für die Herausbildung des Idealismus war die Philosophie Immanuel Kants. In seiner Kritik der reinen Vernunft (1781-87) untersuchte er die Erkenntnisfähigkeit des Menschen. In der Kritik der praktischen Vernunft (1788) versucht er Gründe für das sittliche Handeln zu finden, das nicht nur auf Konventionen und Geboten beruhen kann, sondern aus einem sittlichen Willen resultiert. In der Kritik der Urteilskraft (1790) beschäftigt sich Kant auch mit der Ästhetik. Schöne Kunst ist für ihn Kunst eines Genies, denn sie ist exemplarisch.

Literatur der Klassik

Die Dichtung der Klassik war sehr vom Idealismus geprägt. Sie zielte auf eine geschlossene Form, auf Vollendung, auf Humanität, auf Sittlichkeit und auf Harmonie. In Schillers Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795) forderte er eine Wahrnehmung der Kunst, die auch die Gesellschaft befördert. Durch die ästhetische Erziehung wurde die Natur durch die Kunst überwunden, die aber wieder Natur ist, um Harmonie zu erreichen. Ziel der klassischen Dichtung war nicht Abbildung oder Nachahmung der Natur, sondern das Wesen der Dinge zu erfassen.

Klassikverständnis

Das Klassikverständnis ging auf die Betrachtung antiker Bildkunst zurück. Von ihr wurde z.B. durch Winkelmann abgeleitet, was das Schönheitsideal ausmachte. Für Winkelmann war das Menschenbild geprägt durch „edle Einfalt und stille Größe“. Edle Einfalt meint die Einfachheit des behandelten Stoffes, stille Größe eine große Geisteshaltung. Das Verständnis der Tragödie ging auf Sokrates, der Epik auf Homer und der Politik auf die polis zurück.
Winkelmann war Verwalter der Kunstsammlung des Vatikans. Dadurch wurden antike Bilder in Rom zugänglich. Eine Italienreise wurde so zu einer Bildungsreise, um die Kunstschätze der Antike mit eigenen Augen rezipieren zu können.

Goethe und Schiller als Dichtungstheoretiker

Einfache Nachahmung der Natur, Manier, Stil (1789, Goethe)

Diese Schrift stellt das Ergebnis Goethes Kunstlebens in Italien dar: des Studiums des Natur- und Volkslebens und dem Römischen Karneval. Goethe war selbst als Zeichner tätig. Goethe entwickelte eine Theorie am Beispiel der Bildenden Kunst, da sie am anschaulichsten ist und den Menschen zum Gegenstand hat. In dieser Theorie unterscheidet er zwischen drei Methoden des Kunstschaffens mit Stil als Höhepunkt.

Nachahmung:
Nachahmung (Mimesis) ist die empirische, natürliche Erfassung der Natur. Sie führt zu Realismus und Naturalismus. Nachahmung zeigt aber nur Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten. Bis zum 18. Jahrhundert galt in der Dichtung die Mimesis der Natur als Grundprinzip des Schaffens. Erst mit Herder und Lenz wurde dies abgeschafft.

Manier:
Durch den Gebrauch der Phantasie gelangt man zu Phantasievorstellungen, die nicht auf den Wesen der Dinge beruhen. Die Dinge werden benutzt, um die eigenen Ansichten darzustellen. Manier ist also der Ausdruck der individuellen Sicht der Dinge. Das freie Kunstschaffen des Sturm und Drang beruht auf diesem Dichtungsprinzip.

Stil:
Das Wesen der Dinge und der Gesetze, die es bestimmt, gilt es zu erfassen und darzustellen. Grundlage für Stil ist Mimesis (Realität, empirische Beobachtung) und Manier (Subjektivität). Die drei Dichtungsprinzipien bilden somit eine Synthese. Der Stil ist jedoch das höchste Mittel der Darstellung. Die Gesetzmäßigkeit in den Dingen der Natur ist bestimmt durch Metamorphose. Sie führt zur Höherentwicklung bis hin zur Vollkommenheit. Dadurch ergibt sich eine harmonische Kontinuität. Durch Mannigfaltigkeit und Polarität in den Dingen wird eine harmonische Einheit geschaffen.

Einführung in die Propyläen (Goethe)

Die Zeitschrift „Die Propyläen“ wurde nach dem Eingangstor der Akropolis benannt. Sie vollzieht den Übergang von Naturwirklichkeit zur Kunstwahrheit. Sie wendet sich an Künstler, um diese zu bilden Stil zu erreichen. Handwerk ist nur ein Teil der Kunst, hinzu kommen geistiges Wissen und Empfindungen. Bezieht der Künstler sich nur auf sein Talent, kommt es zum Problem der Vereinseitigung. Mit der Darstellung der Schönheit des Menschen soll Vollkommenheit des Rezipienten erreicht werden. Das Stilkunstwerk stellt eine Möglichkeit dar, den schönen Menschen hervorzubringen und Harmonie zu schaffen.

Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen (1795, Schiller)

Die Briefe Über die ästhetische Erziehung des Menschen stellen den Versuch dar, das Schöne zu bestimmen und die Frage nach der Funktion der Kunst innerhalb der Kulturentwicklung des Menschen zu klären, besonders in der Zeit nach der Französischen Revolution. Für Schiller ist eine revolutionäre Umgestaltung der Gesellschaft, wie die Französische Revolution, zum Scheitern verurteilt. Politische Veränderungen können erst erreicht werden, wenn der Mensch seine Harmonie wiedergefunden hat. Schiller fordert eine Erziehung hin zur Wahrnehmung der Kunst, die aus Phantasie und Vernunft das Ideal des selbstbestimmenden Menschen hervorbringt, der immer auch die Sache der Gesellschaft befördert.

Über naive und sentimentale Dichtung (1795/96, Schiller)

Schiller versucht in dieser Schrift Voraussetzungen und Merkmale moderner Kunst zu zeigen. Der moderne Dichter befindet sich in einer Welt, die ihm fremd ist: Trennung zwischen Mensch und Natur, Sinnlichkeit und Vernunft stehen der harmonischen Einheit der Antike gegenüber. Für den Dichter der Antike zeigte sich das Ganze seiner Natur in der Wirklichkeit, deshalb konnte der diese Wirklichkeit „naiv“ nachahmen. Der moderne Dichter hingegen muss das durch Kultur und Zivilisation verlorene, ursprüngliche Ideal darstellen – sentimentalisch.

Über Bürgers Gedichte (1791, Schiller)

Als literaturtheoretische Schrift zu Lyrik der Klassik kann Schillers Über Bürgers Gedichte, eine Rezeption zu Bürgers Gedichten, gelten. Schiller unterscheidet zwischen einem Volkssänger, der zum Volk herabsteigt, und einem Volksdichter, der eine Verbindung zwischen Bildungs- und Massenpublikum herstellen muss. Um Interessen der Bildungselite und der Volksmassen zu treffen, benötigt es nach Schiller nach einer „Idealisierkunst“, die den richtigen Stoff mit einfacher Darstellung verbindet. Kennzeichnend für den Volksdichter ist „glückliche Wahl des Stoffs und höchste Simplicität in Behandlung desselben“. Der „Volkssänger“ macht Popularität zu seinem höchsten Gesetz, wie Bürger. Der Abstand zwischen Bildungs- und Massenpublikum kann nur durch Rückgang aufs allgemein-menschliche, Klarheit und Einfachheit überbrückt werden. Schiller kritisiert Bürger darin, dass er der Popularität die höchste Schönheit aufgeopfert hat. Schiller spielt dabei auch auf den Unterschied zwischen volkstümlicher und kunstvoller Sprache an. Durch die ideelle Ordnung des Weltbildes kommt es zur Entfernung von der Volkstümlichkeit.

Beförderung der Humanität am Beispiel Goethes Hermann und Dorothea

Die bedeutendste Gattung für den Klassiker Goethe ist die Epik. Es soll daher in dieser Gattung versucht werden, die Beförderung der Humanität zu klären.

Stoff:
Der Stoff beruht auf der Flucht linksrheinischer Deutscher vor eindringenden französischen Revolutionstruppen zur Zeit der Revolutionskriege, als französische Truppen 1793 ins Ruhrgebiet einfielen. In Hermann und Dorothea wurde damit der Versuch unternommen, die jüngste Vergangenheit (nahe der Gegenwart) zu schildern.

Thema:
Das Thema greift die chaotische Zeiten durch den ersten Koalitionskrieg auf, in dem sich die Ordnung in Auflösung befindet. Der Einzelne ist den Massen unterworfen, das Harmonie-Ideal ist verletzt. Das harmonische Ideal kann nur durch Anteilnahme am Schicksal der anderen bewahrt werden. Die Anteilnahme des Einzelnen am Schicksal aller zeigt sich im Beistehen der Mitmenschen, z.B. durch das Schenken von Kleidern. Das Schicksal führt den Einzelnen wieder zur Gemeinschaft: der Revolutionskrieg ist der Auslöser für das Zusammenfinden Hermanns und Dorotheas und der Wiederherstellung der Harmonie durch Ehe der beiden am Ende. Das Engagement des Einzelnen für das Gemeinwesen ist Ausdruck von Humanismus und der Vollkommenheit des Menschen. Das natürliche Verhalten des Menschen wird in existentiellen Grundsituationen, wie Ehe, Geburt oder Tod gezeigt. Dauer, Beständigkeit und Festigkeit sind wichtig, um der Auflösung der Ordnung entgegenzuwirken.

Form:
In der Form ähnelt Hermann und Dorothea einem Epos, das sich an der Ilias Homers orientiert, aufgrund der Verwendung klassischer Hexameter und die Unterteilung in Gesänge. Die Musenbezeichnungen für Gesänge ersetzen die Anrufung einer Muse zu Beginn eines Gesangs. Die Vollkommenheit des Inhalts kann nur durch die Vollkommenheit der Form gelingen. Die Handlung ist nicht chronologisch, sondern rückblickend. Die Missverständnisse sind konstruiert. Die Dialoge sind keine dramatische Dialoge, da keine Zielstrebigkeit und keine gegensätzlichen Standpunkte auftauchen. Die Dialoge tendieren zum Ausgleich, sie sind epische Dialoge. Hermann und Dorothea fehlt jedoch das Heroische, wie z.B. Achilles in der Ilias, daher wäre die Verwendung der Genrebezeichnung Epos falsch. Da Hermann und Dorothea etwas Alltägliches behandelt und sich um Ausgleich bemüht, ist es besser von einer Idylle, als von einem heroischen Epos, zu sprechen. Herder versucht in seinen Briefen zur Beförderung der Humanität auf theoretische Weise zu klären, wie Humanität befördert werden kann. Goethe zeigt es praktisch z.B. an Hermann und Dorothea. Ehe, Freundschaft, geistige Übereinkunft führen zu einer harmonischen Menschengemeinschaft. Revolution wirkt sich darauf auflösend aus. Die Vervollkommnung des Menschen soll durch den Tatgedanken und vollkommene Menschen bewirkt werden, z.B. „und es versetze darauf die kluge verständige Hausfrau“. Die Figuren repräsentieren das Ideal des Individuums. Sie sind tugendhaft, besitzen Modellcharakter, haben eine Rolle in der Gemeinschaft und sind Ausdruck des allgemeinen, wesenhaften, charakteristischen => Stil. Die Figuren wirken verallgemeinernd und zeigen Grundzüge des menschlichen Verhaltens (z.B. „Geben ist Sache des Reichen“).

Die klassische Ballade

Um den Abstand zwischen Bildungselite und Volksmassen zu verringern, benötigt es nach Schiller nach einer „Idealisierkunst“, die richtige Stoffwahl und höchste Simplizität der Darstellung vereint. Schillers Balladen sind der Versuch, den Abstand zwischen Bildungs- und Massenpublikum durch Rückgang aufs allgemein-menschliche, Klarheit und Einfachheit zu überbrücken.


Die Balladenproduktion der Klassiker im Jahr 1797 waren Werkstatterfindungen. Die klassische Ballade beschränkt sich auf die Arbeiten Schillers und Goethe in den Jahren 1797 und 1798, die in den „Musenalmanach für das Jahr 1798“ und „Musenalmanach für das Jahr 1799“ veröffentlicht wurden. Im sog. „Balladenjahr“ 1797 machten Schiller und Goethe die Ballade zum Gegenstand eines „bewussten Kunstwillens und ästhetischen Experiments“. Im „Musenalmanach für das Jahr 1798“ erschienen Goethes Der Zauberlehrling, Die Braut von Korinth, Der Gott und die Bajadere sowie Schillers Der Ring des Polykrates, Der Handschuh, Ritter Toggenburg , Der Taucher und die Kraniche des Ibykus. Im „Musenalmanach für das Jahr 1799“ erschienen Schillers Der Kampf mit dem Drachen und Die Bürgschaft.
Schillers Balladenproduktion fällt ganz in die klassische Phase, während sich Goethes Balladenproduktion über seine gesamte Schaffensperiode erstreckt. Die klassische Ballade hält Distanz zur volkstümlichen-germanischen, antik-klassischen, christlich-mittelalterlichen und orientalischen Welt.

Der Handschuh
von Friedrich von Schiller

Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel zu erwarten,
Saß König Franz,
Und um ihn die Großen der Krone,
Und rings auf hohem Balkone
Die Damen in schönem Kranz.

Und wie er winkt mit dem Finger,
Auf tut sich der weite Zwinger,
Und hinein mit bedächtigem Schritt
Ein Löwe tritt
Und sieht sich stumm
Rings um,
Mit langem Gähnen,
Und schüttelt die Mähnen
Und streckt die Glieder
Und legt sich nieder.

Und der König winkt wieder,
Da öffnet sich behend
Ein zweites Tor,
Daraus rennt
Mit wildem Sprunge
Ein Tiger hervor.

Wie der den Löwen erschaut,
Brüllt er laut,
Schlägt mit dem Schweif
Einen furchtbaren Reif,
Und recket die Zunge,
Und im Kreise scheu
Umgeht er den Leu
Grimmig schnurrend,
Drauf streckt er sich murrend
Zur Seite nieder.

Und der König winkt wieder;
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Zwei Leoparden auf einmal aus,
Die stürzen mit mutiger Kampfbegier
Auf das Tigertier;
Das packt sie mit seinen grimmigen Tatzen,
Und der Leu mit Gebrüll
Richtet sich auf – da wird’s still;
Und herum im Kreis,
Von Mordsucht heiß,
Lagern sich die greulichen Katzen.

Da fällt von des Altans Rand
Ein Handschuh von schöner Hand
Zwischen den Tiger und den Leun
Mitten hinein.

Und zu Ritter Delorges spottender Weis‘,
Wendet sich Fräulein Kunigund:
„Herr Ritter, ist Eure Lieb‘ so heiß,
Wie Ihr mir’s schwört zu jeder Stund,
Ei, so hebt mir den Handschuh auf.“

Und der Ritter in schnellem Lauf
Steigt hinab in den furchtbarn Zwinger
Mit festem Schritte,
Und aus der Ungeheuer Mitte
Nimmt er den Handschuh mit keckem Finger.

Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und Edelfrauen,
Und gelassen bringt er den Handschuh zurück.
Da schallt ihm sein Lob aus jedem Munde,
Aber mit zärtlichem Liebesblick –
Er verheißt ihm sein nahes Glück –
Empfängt ihn Fräulein Kunigunde.
Und er wirft ihr den Handschuh ins Gesicht:
„Den Dank, Dame, begehr ich nicht!“
Und verlässt sie zur selben Stunde.

Das Drama in der Klassik

Der rebellische Charakter der Dramen Schillers aus der Sturm und Drang-Zeit wich in seinen Dramen der klassischen Zeit zurück. Bürgerliche Inhalte spielten keine größere Rolle mehr, stattdessen traten historische Stoffe in den Mittelpunkt, wie in Maria Stuart (1800), Die Jungfrau von Orleans (1801) und Wilhelm Tell (1804).
Goethe beendete 1786 während seiner Italienreise die letzte Fassung von Iphigenie auf Tauris und vollzog so den Übergang zum klassischen Drama. Die Befreiung von religiösen und politischen Zwängen sollte nicht mehr mit Gewalt, sondern durch Humanität, Harmonie und Wahrheit erreicht werden. Formal handelt es sich bei Iphigenie um ein geschlossenes Drama, da die Einheit von Handlung, Ort und Zeit eingehalten wird.
Das Drama spielte in der klassischen Phase bei Goethe eine weniger gewichtige Rolle, als Epik und Lyrik – bis auf eine Ausnahme: den Faust, ein Stoff, der Goethe Zeit seines Lebens beschäftigte.

Goethes Faust

Die Faust-Sage entstand im 16. Jahrhundert und geht zurück auf die historische Person Johann Faust. 1587 erschien das anonym herausgegebene Volksbuch Historia von D. Johann Fausten. Goethe kam das erste Mal mit dem Faust-Stoff während seines Studiums in Kontakt, als er einer Faust-Spiel-Aufführung zuschaute. Um das Jahr 1775 entstand der sogenannte „Urfaust“. Dabei handelt es sich um Goethes erste Szenenentwürfe für ein Faust-Drama. 1790 veröffentlichte Goethe sein noch unvollständiges Drama unter den Titel Faust. Ein Fragment, das jedoch nur in Gelehrtenkreisen der damaligen Zeit Beachtung fand. 1806 waren die Arbeiten an Faust. Der Tragödie Erster Teil beendet. Daran hatte Schiller einen großen Anteil, da er bis zu seinem Tod 1805 Goethe immer wieder drängte, am Faust weiterzuschreiben. 1831 war Faust. Der Tragödie Zweiter Teil fertiggestellt worden und erschien erst nach Goethes Tod, 1832.

Faust. Der Tragödie Erster Teil ist formal nicht wie ein klassisches antikes Drama aufgebaut. Eine Gliederung in Akte und Aufführungen ist nicht vorhanden, es folgt Szene auf Szene. Der Auslöser der Handlung ist die Wette zwischen Mephisto und Gott, ob es Mephisto gelingt Faust auf seine Seite zu ziehen. Faust steht dabei für den Menschen, der sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften in sich vereinigt und ein gespaltenes Wesen ist. Das Drama teilt sich inhaltlich in Gelehrten- und Gretchentragödie. Die Gelehrtentragödie beginnt mit der Szene Nacht und wird von der Gretchentragödie unterbrochen, die sich zwischen den Szenen Hexenküche und Kerker abspielt. Nachdem es Mephisto nicht gelungen war, Faust durch oberflächliche weltliche Vergnügen auf seine Seite zu bringen, versuchte er es nun mit der Liebe. Die Gelehrtentragödie ist von einer szenischen Einheitlichkeit geprägt, da große Teile der Handlung in Fausts Studierzimmer stattfinden. Typisch sind auch die vielen Monologe Fausts. Die Gretchentragödie dagegen wechselt die Handlungsorte oft und ist vorwiegend von Dialogen geprägt. Sie lässt sich nochmals unterteilen in Gretchens Verführung durch Faust, Gretchens gesellschaftliche Ächtung und den Weg zu ihrer Erlösung durch Gott.


Faust. Der Tragödie Zweiter Teil ist in fünf Akte gegliedert, die jedoch inhaltlich nicht direkt miteinander verbunden sind, wie in einer klassischen Tragödie. Faust versucht sich nun an verschiedenen Stationen als Tatmensch zu beweisen, doch scheitert er bei dieser Aufgabe. Im letzten Akt zeigt sich dies besonders durch eine Ironisierung des Geschehens: während der inzwischen erblindete Faust glaubt, einen großen Graben zu bauen, wird in Wirklichkeit sein eigenes Grab ausgehoben. Als Faust stirbt und Mephisto dessen Seele erwartet, wird diese von Gott gerettet.


Der Rückbezug auf die Antike, ein wichtiges Merkmal klassischer Dichtungen, verdeutlicht der dritte Akt. Faust reist in der Zeit zurück und heiratet Helena. Ihr gemeinsames Kind, Euphorion, verkörpert die Klassik. Der Tod Euphorions kann als die Ablösung der Weimarer Klassik interpretiert werden, die Goethe wenige Jahre vor seinem Tod wahrgenommen hatte.

Literarische Formen

  • Bildungsroman
  • Ideendrama
  • Charakterdrama

Bevorzugte Formen der Lyrik:

  • Ode:
    (griech. Lied, Gesang) = feierliches Gedicht, aber gedämpfter als Hymne; reimlos; festgelegte Strophenformen: Antike Odenmaße: alkäische Ode, sapphische Ode und asklepiadeische Ode; geprägt von Erhabenheit und Würde
  • Hymne
    (griech. Festgesang) = feierlicher Lob- und Preisgesang; meist freie Rhythmen
  • Sonett:
    Festgelegt sind: Versmaß, Reim, Strophenform und Länge. Ein Sonett besteht aus 14 Verse und hat als Versform den Alexandriner. Unterschieden wird zwischen Italienischem Sonett (Petrarca Sonett), das sich aus 2 Quartetten und 2 Terzetten zusammensetzt, und dem Elisabethanischem Sonett (Shakespeare Sonett), bestehend aus 3 Quartetten und einem abschließendem Reimpaar.
  • Distichon:
    Kombination von Hexameter und Pentameter; meist reimlos
  • Stanze:
    Strophenform zu acht Versen, mit fünfhebigem Jambus und weiblicher Kadenz; Reimschema: ab ab ab cc
  • Ballade

Vertreter

Werke

  • Iphigenie auf Tauris (1786) – Goethe
  • Don Karlos, Infant von Spanien (1787) – Schiller
  • Der Geisterseher (1787/89) – Schiller
  • Egmont (1788) – Goethe
  • Die Götter Griechenlands (1788) – Schiller
  • Torquato Tasso (1790) – Goethe
  • Faust, ein Fragment (1790) – Goethe
  • Der Groß-Cophta (1791) – Goethe
  • Der Bürgergeneral (1793) – Goethe
  • Über Anmut und Würde (1793) – Schiller
  • Vom Erhabenen (1793) – Schiller
  • Briefe zur Beförderung der Humanität (1793-97) – Herder
  • Reineke Fuchs (1794) – Goethe
  • Römische Elegien (1795) – Goethe
  • Über die ästhetische Erziehung des Menschen, in einer Reihe von Briefen (1795) – Schiller
  • Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten (1795) – Goethe
  • Elegien (1795) – Goethe
  • Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) – Goethe
  • Über naive und sentimentale Dichtung (1795/96) – Schiller
  • Das Lied von der Glocke (1797) – Schiller
  • Hermann und Dorothea (1797) – Goethe
  • Xenien (1797) – Goethe/ Schiller
  • Balladen (1797/98) – Schiller
  • Balladen (1798) – Goethe
  • Wallenstein (1798/99) – Schiller
  • Maria Stuart (1800) – Schiller
  • Die Jungfrau von Orleans (1801) – Schiller
  • Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder (1803) – Schiller
  • Wilhelm Tell (1804) – Schiller
  • Demetrius (1804/05) – Schiller
  • Faust. Der Tragödie Erster Teil (1806) – Goethe
  • Die Wahlverwandtschaften (1809) – Goethe
  • Pandora (1809) – Goethe
  • Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (1811/14) – Goethe
  • Aus meinem Leben. Zweiter Abteilung erster und zweiter Teil (1816/17) – Goethe
  • West-östlicher Divan (1819) – Goethe
  • Urworte. Orphisch (1820) – Goethe
  • Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821) – Goethe
  • Faust. Der Tragödie Zweiter Teil (1831) – Goethe

Zusammenfassung

Inhaltliche Merkmale

  • Ideal vorkommende Schönheit
  • Harmonie und Ausgewogenheit
  • Hoher Wert des sittlichen Handelns; Humanität und Toleranz
  • Kosmische Ordnung als Notwendigkeit
  • Herausstellung des Erhabenen

Hauptvertreter und Werke

  • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832): Iphigenie auf Tauris, Faust I, Faust II, Novelle, Wilhelm Meister, Gedichte und Balladen
  • Friedrich Schiller (1759-1805): Über Anmut und Würde, Über die ästhetische Erziehung des Menschen

Zwischen Klassik und Romantik:

Formale Merkmale

  • Harmonie zwischen Aussage und Form als Ideal:
    • Kunstballade
    • Dinggedicht
    • Gedankenlyrik
    • Hymne
    • Verwendung antiker Formen und Stilmittel
    • Entwicklungsroman
    • Ballade
    • Ideendrama, analytisches Drama

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